Liberale Senioren: Ostdeutschland nicht in einem schlechten Westen verwandeln

In in Sachsen und Thüringen war die bedeutende Automobil-Industrie ansässig.

Warum sollen Äpfel werden wie Birnen? Warum sollen die Ostdeutschen sein wie die Westdeutschen? Auf der jüngsten Vorstandssitzung haben die Liberalen Senioren sich wegen der Aktualität des Themas Wiedervereinigung angenommen.

Manfred Kobusch, der Vorsitzende der Liberalen Senioren Region Hannover, denkt an die vergangenen Jahre zurück. "Von 1990 bis 1997 habe ich in den neuen Bundesländern gelebt und gearbeitet." Dort war er tätig, um das Vertriebsnetz eines deutschen Automobilherstellers aufzubauen und die Händler zu betreuen. "Durch die Tätigkeit habe ich die Mecklenburger und die Sachsen gut kennengelernt. Und ich wollte dort bleiben, doch es hat nicht sollen sein. Ja, die Menschen drüben waren anders." Die Liberalen Senioren tun sich auch heute noch schwer, in Ostdeutschland Mitglieder zu gewinnen. Dort sei man der Volkssolidarität zur Betreuung älterer Bürger noch immer sehr verbunden.

Mehrere Mitglieder der Liberalen Senioren sind der Meinung, einige Politiker sehen die Angleichung des Ostens an den Westen als Überdehnung von Gleichheit der Lebensverhältnisse in Deutschland. "Wer den Westen in allen seinen Facetten kennt, weiß, dass sich ökonomische Unterschiede aus den regionalen Unterschieden ergeben. Wirtschaftswissenschaftler haben ermittelt, dass Kaufkraftvergleiche aussagekräftiger sind als Bruttoeinkommen. Kaufkraftvergleiche basieren auf Einkommen nach Steuern und Transfers und berücksichtigen zudem regional unterschiedliche Lebenshaltungskosten. Man findet Unterschiede wie zwischen Ost- und Westdeutschland auch zwischen Schleswig-Holstein und Bayern oder dem Bayrischen Wald und München. Solche Unterschiede werden aber nicht als Problem wahrgenommen, sondern als Teil einer gewachsenen regionalen Vielfalt", so die Manfred Kobusch.

Einige Mitglieder der Liberalen Senioren kommen aus den deutschen Ostgebieten und können sich gut erinnern, dass in Sachsen und Thüringen die bedeutende Automobil-Industrie ansässig war. "Ich kann mich noch erinnern an die Auto-Union in Zwickau, BMW in Eisenach und Opel in Brandenburg", sagte Manfred Kobusch, ebenfalls ein profunder Kenner der Automobil-Industrie, und er greift dazu auf wissenschaftliche Studien zurück. Er erklärte den Mitgliedern, dass es vor dem Zweiten Weltkrieg ökonomischen Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen gab. Die Menschen im Gebiet des heutigen Ostdeutschlands hätten eher der Arbeiterklasse angehört und sie seien häufiger im verarbeitenden Gewerbe tätig gewesen. "Die Arbeitsproduktivität unterschied sich damals wie heute. 1936 betrug sie im Osten nur 84 Prozent des Umsatzes je Erwerbstätigen im Westen, dann stieg sie, nach 40 Prozent im Jahre 1991, auf knapp 89 Prozent heute", erklärte er.

"Aber für die Lebenswirklichkeit der Menschen in Ostdeutschland hat die Entwicklung von Konsummöglichkeiten und Lebenserwartung einen größeren Einfluss als die Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Umfragen haben ergeben, so Kobusch, dass es bei Personen bis 35 Jahren keinen Unterschied mehr gibt in der Lebenszufriedenheit zwischen Ost und West. Nur Personen, die älter als 65 Jahre sind, scheinen in Ostdeutschland deutlich unzufriedener zu sein als in Westdeutschland", so Manfred Kobusch. Daher würden viele Gruppen, Gewerkschaften, manche Parteien und die betroffenen Rentner eine Angleichung der Renten in Osten und West fordern. "Nur vergessen sie, dass die Renten nicht aufgrund der damaligen, in der DDR gezahlten Löhne errechnet wurden, sondern auf fiktiven, den höheren Löhnen in der BRD basierten Daten, errechnet wurden und werden", erklärt er.

Am Schluss der Diskussionsrunde kamen die Liberalen Senioren überein, dass es 30 Jahre nach der Wiedervereinigung an der Zeit sei, die Forderung nach einer Angleichung des Ostens an den Westen zu beenden. Das Resümee der Liberalen Senioren: "Ostdeutschland hat etwas Besseres verdient, als ein schlechter Westen zu sein."