Kein Ende in Sicht in Sachen Zoll-Deal-Krise – Unternehmen in und um Hannover besorgt

Wenn es um internationale Handelsfragen geht, spüren viele mittelständische Betriebe in Hannover die Folgen schneller als gedacht. Die jüngste Umfrage der Industrie- und Handelskammer Hannover (IHK) hat es deutlich gemacht: Der von Donald Trump durchgesetzte neue Zoll-Deal mit der EU sorgt bei vielen Firmen für tiefe Verunsicherung. Dabei ist es weniger die unmittelbare Höhe der Abgaben, sondern vielmehr die Unberechenbarkeit, die Unternehmen zu schaffen macht.

Gerade in einer Region, die traditionell stark vom Export lebt, ist diese Entwicklung von erheblicher Tragweite. Ob Maschinenbau, Automobilzulieferer oder Chemieproduktion – viele Betriebe haben langjährige Verbindungen in die Vereinigten Staaten aufgebaut. Nun aber sehen sie sich mit Zollaufschlägen von 15 Prozent konfrontiert. Das klingt auf dem Papier noch überschaubar, summiert sich in den Kalkulationen jedoch schnell zu einer spürbaren Belastung.

Unternehmen im Maschinen- und Fahrzeugbau unter Druck

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, warum die Sorge in Hannover so groß ist. Allein im vergangenen Jahr exportierte Niedersachsen Waren im Wert von 7,3 Milliarden Euro in die USA. Mit über 2,8 Milliarden Euro entfiel der größte Teil auf Fahrzeuge und Kfz-Teile, gefolgt von Maschinen und chemischen Erzeugnissen. Viele dieser Produkte stammen aus der Region Hannover, wo Konzerne, aber auch mittelständische Zulieferer eng miteinander verflochten sind.

Das Problem: In den Lieferketten reicht eine Verteuerung auf einer Seite oft schon aus, um die Kalkulationen ganzer Projekte ins Wanken zu bringen. Ein Maschinenbauer aus Hannover, der anonym bleiben möchte, fasst es so zusammen: „Wir können nicht jedes Prozent einfach an unsere Kunden weitergeben. Der Markt ist hart umkämpft, und wer zu teuer wird, verliert Aufträge.“

Zwar planen laut IHK-Umfrage rund 60 Prozent der befragten Firmen, die zusätzlichen Kosten an ihre Kunden in den USA weiterzugeben. Doch die Praxis zeigt, dass dies nicht immer reibungslos möglich ist. Manche Kunden suchen sich schnell Alternativen, andere fordern Nachverhandlungen. Die Folge sind Unsicherheit und ein erheblicher Mehraufwand für die Geschäftsleitungen.

Continental und Co. denken um

Große Unternehmen wie Continental haben bereits angekündigt, verstärkt in den USA produzieren zu wollen. Auf den ersten Blick erscheint das als logischer Schritt, denn die Zollbelastung entfällt, wenn direkt vor Ort gefertigt wird. Für den Standort Hannover bedeutet dies aber eine schleichende Verlagerung von Wertschöpfung. Arbeitsplätze in Verwaltung und Entwicklung mögen bleiben, doch die eigentliche Produktion könnte zunehmend über den Atlantik wandern.

Diese Entwicklung bereitet nicht nur den Betriebsräten, sondern auch der regionalen Politik Sorgen. Schließlich hängen in der Region zehntausende Arbeitsplätze direkt oder indirekt an der Exportwirtschaft. Verliert Hannover hier an Gewicht, könnte das auf lange Sicht auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts schwächen.

Kleine und mittlere Unternehmen besonders getroffen

Noch härter trifft es die kleinen und mittleren Betriebe, die weder über große Finanzpolster noch über flexible Produktionsstandorte verfügen. Für sie ist der US-Markt oft das Ergebnis jahrelanger Arbeit, persönlicher Kontakte und sorgfältig aufgebauter Vertriebsnetze. Diese nun durch politische Entscheidungen ins Wanken geraten zu sehen, sorgt für Frust.

Ein Geschäftsführer aus dem Raum Garbsen erzählt: „Wir haben gerade erst eine Partnerschaft mit einem amerikanischen Distributor aufgebaut. Jetzt müssen wir überlegen, ob wir die Preise erhöhen oder auf Teile unserer Marge verzichten. Beides ist eigentlich keine Lösung.“ Solche Stimmen machen deutlich, wie stark der Druck auf den Mittelstand wächst.

Suche nach Alternativen

Viele Firmen denken inzwischen laut darüber nach, sich stärker auf andere Märkte zu konzentrieren. In der IHK-Umfrage nannten über zwei Drittel der Befragten den europäischen Binnenmarkt als wichtigste Alternative. Auch Asien, Südamerika und Kanada rücken in den Fokus. Doch jeder neue Markt bedeutet neue Regularien, zusätzliche Investitionen und nicht zuletzt ein erhöhtes Risiko.

Hinzu kommt, dass der US-Markt für viele Branchen kaum zu ersetzen ist. Die Kaufkraft ist hoch, die Nachfrage nach technischen Produkten stark. Ein vollständiger Rückzug ist daher weder realistisch noch wünschenswert. Stattdessen setzen viele auf eine Mischstrategie: Engagement in den USA fortführen, gleichzeitig aber neue Märkte aufbauen, um die Abhängigkeit zu reduzieren.

Branchen ohne Zollsorgen

Während die exportorientierten Branchen unter Druck geraten, gibt es andere Wirtschaftszweige, die die Krise von außen beobachten – ohne selbst direkt betroffen zu sein. Streamingdienste, Influencer oder Unternehmen der digitalen Entertainment-Welt müssen sich nicht mit Zollformularen oder Aufschlägen auseinandersetzen.

So bleibt das Angebot von Netflix in Deutschland unverändert. Auch die große Auswahl an digitalen Unterhaltungsangeboten ist durch Trumps Zollpolitik nicht eingeschränkt. Besonders auffällig ist dies im Bereich der Online-Unterhaltung, wo die Nachfrage in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Auf der Bestenliste an deutschen Casinos oder im Streamingangebot zeigt sich, dass manche Sektoren schlichtweg nicht von Zollhürden betroffen sind.

Gerade dieser Kontrast wird in Hannover immer wieder betont. Während Zulieferer und Einzelhändler schlucken müssen und mit ungutem Gefühl in die Zukunft schauen, können viele andere Branchenbetreiber aufatmen. Digitale Geschäftsmodelle, die auf Software oder Dienstleistungen basieren, sind in dieser Hinsicht robuster gegenüber politischen Eingriffen im Handel.

Politik unter Zugzwang

Die Forderungen an die Politik sind eindeutig: Mehr Planungssicherheit, mehr Verlässlichkeit und ein stärkeres Engagement der EU in Handelsfragen. Viele Unternehmer haben den Eindruck, dass sie Spielball geopolitischer Interessen werden, ohne selbst Einfluss nehmen zu können. Die IHK Hannover fordert daher, dass die EU-Kommission schnellstmöglich Lösungen erarbeitet, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu sichern.

Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die Unternehmen in Hannover und Umgebung die Lage aufmerksam verfolgen und ihre Strategien anpassen müssen. Ein einfacher Rückzug ist für die wenigsten eine Option, dafür sind die transatlantischen Beziehungen zu wichtig. Doch die Unsicherheit nagt am Vertrauen – und Vertrauen ist im internationalen Handel das vielleicht wichtigste Gut überhaupt.

Ein Ausblick mit Fragezeichen

So zeigt sich ein gespaltenes Bild: Während traditionelle Branchen wie Maschinenbau und Automobilzulieferung mit Sorge auf die kommenden Jahre blicken, sehen Anbieter digitaler Dienste die Krise eher von der Seitenlinie. Für die einen ist es eine Frage von Auftragsbüchern und Margen, für die anderen bleibt das Geschäft unbeeinträchtigt.

Was bleibt, ist das Gefühl, dass die Krise kein schnelles Ende finden wird. In Hannover weiß man, dass es in Handelsfragen selten einfache Lösungen gibt. Doch gerade deshalb ist der Ruf nach Stabilität so laut. Unternehmen, Mitarbeiter und die gesamte Region wünschen sich, dass wirtschaftliche Planung wieder möglich wird – unabhängig davon, ob es um den Export von Maschinen oder das Angebot digitaler Dienste geht.

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