Vom Geheimfavoriten auf den Aufstieg ins Mittelmaß – der tiefe Fall von Hannover 96

Die Hinrunde der 2. Fußball Bundesliga ist beendet, jedes Team traf jeweils einmal auf seine 17 Kontrahenten. Die Roten von Hannover 96, welche mit vielen Vorschusslorbeeren in die Saison gestartet waren, enttäuschten insgesamt in der Hinrunde. Ein Aufstieg, den einige Experten den Niedersachsen vor der Saison zugetraut haben, scheint in weite Ferne gerückt zu sein.

Die Landeshauptstädter fuhren in der Hinrunde lediglich 20 Punkte ein und stehen auf Platz 13 lediglich sechs Punkte über dem Strich, der einen Abstiegs- beziehungsweise Relegationsplatz in die 3. Liga bedeuten würde. Dagegen ist der Rückstand auf die Aufstiegsplätze bereits groß. Selbst der dritte Platz, welcher zur Aufstiegsrelegation in die Bundesliga berechtigen würde, beträgt nach 17 Spieltagen neun Punkte. Die Faktoren, die dafür sorgen, dass die Hannoveraner sich aktuell eher nach unten orientieren müssen, sind vielschichtig. Dennoch gibt es Hoffnung für die Fans.

Vom Geheimfavoriten zur grauen Maus

Vor der Saison schätzen viele Experten die Roten hoch ein. Auch die besten Buchmacher haben die Niedersachsen hoch im Kurs gesehen und hielten die Quoten auf Hannover relativ gering. Dies änderte sich jedoch relativ schnell, nachdem die Roten nach einem befriedigenden Remis gegen Absteiger Werder Bremen gegen die Aufsteiger aus Rostock und Dresden sowohl spielerisch als auch im Resultat enttäuschten und verloren. Zwischenzeitlich blieb Hannover zudem acht Ligaspiele ohne Erfolg und rutschte in die Niederungen der Tabelle ab. 

Jan Zimmermann verpasste die Erwartungen

Jan Zimmermann, Coach der 96er, wurde Anfang der Saison von Drittliga-Aufsteiger TSV Havelse verpflichtet. Er genießt einen guten Ruf, sowohl taktisch als auch menschlich hat Zimmermann sicherlich das Zeug zum Profitrainer und besaß bis zu seiner Verpflichtung mehrere Angebote in verschiedenen Funktionen anderer namhafter Vereine, unter anderem vom Hamburger Sportverein. Dennoch schien die Mannschaft “Zimbos” Philosophie nicht umsetzen zu können. Lediglich drei Siege in 15 Zweitliga-Spielen war für die hochgeschätzte Mannschaft zu wenig, die oft so wirkte, als verstände sie die Vorgaben ihres Trainers nicht. Nach 161 Tagen im Amt erfolgte die Trennung von Zimmermann nach einer 0:4 Pleite am 15. Spieltag gegen den Karlsruher SC. 

Mannschaftsumbruch

Zu der Misere trug sicherlich auch der Umbruch seinen Beitrag, der bei Hannover Anfang der Saison vollzogen wurde. Zehn neue Spieler verpflichteten die Roten, ebenso viele verließen den Verein. Unter den Abgängen waren unter anderem die Leistungsträger Genki Haraguchi, Marvin Ducksch und Timo Hübers, während von den Neuzugängen noch kaum einer herausgestochen ist. Auch Torwart Michael Esser verließ den Verein in Richtung Bochum, Ron-Robert Zieler verletzte sich beim Spiel am 15. Oktober gegen den FC Schalke 04 im Wadenbereich. Somit hütet seit dem 10. Spieltag der Däne Martin Hansen das Tor, der in der Vorsaison nur die Nummer 3 war. 

Martin Kind und die Fans

Hinzu kommt der anhaltende Konflikt zwischen Mehrheitsgesellschafter Martin Kind und Teilen der Fanszene. Die Auseinandersetzung ist auch in der Hinrunde dieses Jahr um mindestens eine Anekdote reicher geworden. Nachdem der Streit um die 50+1 Regel in den letzten Jahren zu Auseinandersetzungen, Fanboykotten und beiderseitigen Beleidigungen führte, entschieden die Mitglieder den Einfluss von Investoren nach wie vor beibehalten zu wollen und sich nicht gegen die von Kind angestrebte Abschaffung der im deutschen Fußball verankerten 50+1-Regel zu stellen.

Dennoch scheint das Tischtuch insbesondere mit den Ultras zerschnitten. Anstatt sich mit der Unterstützung der Mannschaft zu befassen, beherrschten häufig verbandspolitische Themen die Nordkurve. Auch wenn die Coronamaßnahmen zuletzt nur deutlich geringere Zuschauerzahlen zuließen, spürt man unter den Fans, dass Kind bei vielen keinen Kredit mehr genießt.

Hoffnungsträger Dabrowski

Mit Christoph Dabrowski, der den entlassenen Zimmermann als Interimscoach ersetzt, kehrt wieder Hoffnung bei 96 ein. Der 43-jährige Deutsch-Pole war zuvor für die Regionalliga-Mannschaft der Roten verantwortlich und machte sich dabei einen Namen für sein emotionales Coaching an der Seitenlinie, welches gelegentlich auch den Toleranzbereich sprengte und von den Schiedsrichtern mit persönlichen Strafen sanktioniert werden musste. 

Aktuell scheint er den Spielern von Hannover gut zu tun und sie zurück auf die Erfolgsspur zu bringen. Dabrowski, selbst langjähriger Spieler bei den Roten gewesen, gelangen gleich zum Auftakt zwei Siege gegen den Hamburger SV und den FC Ingolstadt. Ob man an ihm festhält oder einen neuen Übungsleiter sucht, ist aktuell jedoch noch nicht klar.

Hannovers Aussicht für die Rückrunde

Der Trend der Roten ging zuletzt nach oben. Dennoch wäre es vermessen, in der niedersächsischen Landeshauptstadt den Bundesliga-Aufstieg in den Mund zu nehmen. Dafür gibt es zu viele Vereine, die diese Saison einen stärkeren Kader besitzen als 96. Jedoch wäre es eine Überraschung, wenn Hannover in der Rückrunde nicht erfolgreicher spielen sollte als in der Hinrunde. Die Qualität dafür besitzt der Verein. Einen konstanten Mittelfeldplatz und der frühzeitige Klassenerhalt können die Fans durchaus erwarten.