DGB: „Minijobs“ verdrängen sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse

"Besonders in Kleinbetrieben verdrängen Minijobs sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse. So waren Ende Juni 2021 in der Region Hannover in kleinen Betrieben mit unter 10 Beschäftigten 39,4 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse Minijobs. Über alle Betriebsgrößen hinweg waren es 16,9 Prozent. In größeren Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten waren hingegen nur 8,4 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse geringfügig entlohnt. Insgesamt gab es in der Region Hannover 532.971 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und 109.089 Minijobs. Das geht aus einer Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit für den Deutschen Gewerkschaftsbund hervor, wie der DGB-Kreisverband Hannover mitteilt.

"Die Daten zeigen: Minijobs verdrängen gute, sozial abgesicherte Arbeit. Sie sind kein Sprungbrett, sondern für viele Menschen eine berufliche Sackgasse, vor allem in kleineren Unternehmen. Gerade in kleineren Betrieben ändert sich das durch die geplante Reform nicht automatisch. Zwar setzen die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr sprunghaft ein, wenn die Minijobgrenze überschritten wird. Für Beschäftigte wird es also etwas attraktiver als bislang, mehr zu arbeiten. Doch in kleineren Betrieben sind es oft die Arbeitgeber, die auf Minijobs setzen", sagt Reinhard Nold, Vorsitzender der DGB-Kreisverbands Region Hannover.

Den negativen Effekt der Minijobs weise eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nach: Demzufolge verdrängen Minijobs in Kleinbetrieben mit bis zu neun Beschäftigten knapp 500.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Ein zusätzlicher Minijob ersetzt dort im Mittel eine halbe durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Stelle. "Anders als oft behauptet sind Minijobs also kein Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sondern eine Sackgasse. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums", so Nold.

Geringfügig Beschäftigten fehlt außerdem weitgehend der Schutz der Sozialversicherung. Sie haben keinen Anspruch auf Krankengeld, Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld. Entscheiden sie sich gegen die im Minijob optionale Rentenversicherungspflicht, kann sich dies nachteilig auf Rentenansprüche und andere Leistungen der Rentenversicherung auswirken. "Minijobs sind viel zu oft sicheres Ticket in die Altersarmut", mahnt Nold.

"Wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie fatal die fehlende soziale Absicherung im Minijob sein kann – die Pandemie hat die Folgen eindrücklich aufgezeigt. 2020 haben hunderttausende Menschen in Deutschland innerhalb kürzester Zeit ihren Minijob verloren – ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld. Trotzdem will die neue Bundesregierung Minijobs sogar noch ausweiten. Das ist absolut nicht nachvollziehbar", kritisiert Nold.

Der DGB setzt sich seit langem dafür ein, dass Menschen, die in Minijobs arbeiten, künftig bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen und besser sozial abgesichert werden. Der DGB fordert deshalb, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln und dabei die Beschäftigten finanziell zu entlasten. Die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze lehnt der DGB ab. Sie würde geringfügige Beschäftigung ausweiten, sodass noch mehr Menschen ohne umfassenden Sozialversicherungsschutz arbeiten als bislang.

Ein Kommentar

  • Wenn Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen umgewandelt werden, müsste der Stundenlohn entsprechend angehoben werden, denn meist sind diese die niedrigsten Stundenlöhne, die möglich sind… Wenn dann noch Abgaben fällig werden, sind denjenigen, die wirklich nur stundenweise arbeiten gehen können, doppelt angeschmiert. Das betrifft meist Frauen, Alleinerziehende oder pflegende Angehörige.