Psychosoziale Notfallversorgung: Wenn Retter selber Hilfe brauchen

Diplom-Psychologin Faye Milnikel (links) diskutiert mit den Teilnehmern des Forums, welche weiterführenden Hilfsangebote sie im Alltag nutzen können.

Nach einem schweren Autounfall sind Rettungskräfte als erste vor Ort, um verunfallten Menschen zu helfen. Die Retter erleben im Einsatz Szenen, die nur schwer zu verarbeiten sind. Manchmal noch Monate nach dem belastenden Ereignis tauchen Sinneseindrücke wie Bilder oder Gerüche bei den Einsatzkräften auf.

"Es kann vorkommen, dass man zu einem Einsatz gerufen wird, wo man den Verunfallten kennt oder sich wahre Familientragödien ereignen. In dem Moment kann man nicht groß Nachdenken sondern muss funktionieren", berichtet Frank Wöbbecke vom DRK-Rettungsdienst Hannover/Hildesheim. Gerade in letzter Zeit sei es zudem vermehrt zu Behinderungen der Einsatzkräfte durch Schaulustige an den Unfallorten gekommen. Auch solch eine Form des Druckes könne laut Wöbbecke für die Rettungskräfte belastend sein.

Doch wie gehen die Rettungskräfte mit solchen Erfahrungen um, wie verarbeiten sie die belastenden Bilder? Und wer ist letztendlich für die Retter da, wenn sie selbst einmal Hilfe brauchen?

Am vergangenen Wochenende folgten 48 Vertreter von Hilfsorganisationen, der Polizei und der Bundeswehr aus unterschiedlichen Bundesländern und Zuständigkeiten einer gemeinsamen Einladung des DRK_Rettungsdienstes Hannover/Hildesheim und dem Netzwerk Psychosoziale Notfallvorsorge (PSNV) aus Freiburg. Das Forum im Best Western Hotel stand unter dem Schwerpunkt der psychosozialen Unterstützung von Einsatzkräfte. "Unser Netzwerk soll denen helfen, die im Einsatz funktionieren müssen und erst hinterher über das Erlebte nachdenken", erklärt Michael Steil vom Bundesvorstand des Netzwerk PSNV. "Dabei ist nicht die objektive Beschaffenheit der Belastung, beispielsweise der Tod eines Kinds im Einsatz, für Belastungsreaktion entscheidend, sondern deren subjektive Bewertung durch den Betroffenen", so der Notfallpsychologe weiter. Um allen Einsatzkräften die Möglichkeit zu geben, ihren psychisch und physisch hoch belastenden Dienstalltag so gesund wie möglich zu bestreiten, müsse daher im Bedarfsfall selbst schnell Hilfe verfügbar sein.

Bei Fachvorträgen und in einem anschließenden World Café diskutierten die Teilnehmer eigene Erlebnisse und setzten sich aktiv mit notwendigen Hilfeangeboten auseinander. Der Tenor der Veranstaltung: Bei der Suche nach Hilfe darf es keine Barrieren und Hemmschwellen geben, denn das Wohl der Retter muss im Fokus stehen. "Daher bieten wir msowohl Gruppengespräche als anonyme Beratungen an", erklärt Steil das Angebot des Netzwerkes.