Geplante Schließung des Lehrter Krankenhauses: Zustimmung für Medizinstrategie KRH 2030

Das Lehrter Krankenhaus soll nach den Plänen der Medizinstrategie 2023 geschlossen und die ein Regionales Gesundheitszentrums ersetzt werden.

Mit der Zustimmung der Regionsversammlung zur Medizinstrategie 2030 der Krankenhaus Region Hannover (KRH) am heutigen Dienstag, 23. Mai 2023, ist die Schließung des Lehrter Krankenhauses einen Schritt näher gekommen. Die Medizinstrategie 2030 sieht vor, die Standorte Lehrte und Großburgwedel in Großburgwedel zusammenzulegen. In Lehrte soll dafür zukünftig ein Regionales Gesundheitszentrums (RGZ) entstehen.

Voran ging eine zum Teil emotionale aber auch auf weiten Strecken sachliche Darlegung der Argumente des Für und Widers der Abgeordneten in der Regionsversammlung. "Es sind Schließungen von Standorten", betonte Oliver Brandt von der CDU/FDP-Gruppe, "das wollen SPD und Grüne nicht hören". Vor der Abstimmung hatte die Lehrter CDU-Stadtverbandsvorsitzende Heike Koehler während der Einwohnerfragestunde noch einmal für den Erhalt des Krankenhauses in Lehrte geworben und auch eine Unterschriftenliste von mehr als 13.000 Lehrtern für den Erhalt des Krankenhauses in Lehrte beim Regionspräsidenten Steffen Krach (SPD) abgegeben.

"Die Gesundheitsversorgung liegt uns am Herzen", betonte die SPD-Fraktionsvorsitzende Silke Gardlo. Im Vergleich zu anderen Gegenden in Niedersachsen sei die Versorgung in der Region Hannover "auf sehr hohem Niveau". Mit einem Änderungsantrag wollen SPD und Grüne für die Standorte Laatzen und Lehrte Perspektiven schaffen. So war in Lehrte zunächst nur ein Medizinisches Versorgungszentrum vorgesehen. Zudem soll ein neuer Regions-Ausschuss sich im Schwerpunkt auch um die Gesundheitsversorgung kümmern.

Steffen Krach wie auch Silke Gardlo betonten, dass der heutige Beschluss nicht das Ende der Diskussion sei. Vielmehr sei es eine Strategie, auf deren Grundlage noch weitere Entscheidungen folgen würden. Es gehe darum, die kommunalen Klinkstandorte zu stärken, so die SPD-Fraktionsvorsitzende.

"Wir setzen auf Ambulantisierung und weniger stationäre Behandlungen", so Krach. Er wolle das Niveau der Gesundheitsversorgung beibehalten, denn die Region Hannover stehe heute gut dar. "Darum beneiden uns andere Landkreise und andere Bundesländer", so der Regionspräsident.

"Was Ihnen fehlt, ist das Rückgrat, auch mal eine vermeintlich unpopuläre Entscheidung zu treffen, die einem übergeordneten Interesse dient", richtete die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sinja Münzberg ihre Worte an die Oppositionspolitiker. "Und dabei geht es um weitaus mehr als um einzelne Standorte. Die Medizinstrategie ist – und das haben hier offenbar noch nicht alle verstanden – in erster Linie eine Qualitätsoffensive", so Sinja Münzberg und erklärte, "einen der größten kommunalen Klinikkonzerne Deutschlands fit für die Zukunft zu machen".

"Laatzen ist ein Tod auf Raten. Das wird es 2030 nicht mehr geben, wenn zentrale medizinische Leitungen nicht mehr da sind", schaute Oliver Brand in die Zukunft. "Wir lehnen diesen Murks ab, den die Medizinstrategie 2030 darstellt", schloss er seine Ausführungen ab.

"Es ist kein Sterben auf Raten und es wird auch werden auch kein Mensch sterben, wenn es in Lehrte kein Krankenhaus mehr gibt", erwiderte Sinja Münzberg von den Grünen.

Die Lehrter SPD-Regionsabgeordnete Helga Laube-Hoffmann, bislang Gegnerin der Medizinstrategie, startete ihre Rede mit einer persönliche Erklärung: Sie werde für den Antrag stimmen, da durch den Ergänzungsantrag von SPD und Grüne wesentliche Verbesserungen für Lehrte erzielt werden konnten. Der neue Begleitausschuss biete zudem eine transparente Kontrolle der Umsetzung der Medizinstrategie.

Auch Ernesto Nebot Pomar, SPD-Regionsabgeordneter aus Laatzen, hatte schon im Vorfeld bekannt gegeben, sein vormalige Ablehnung in eine Zustimmung gewandelt zu haben. "Wenn man heute hier die Zuhörer als Patienten und die Redner als Therapeuten ansieht, wäre der Patient schon tot", nutzte er eine medizinische Metapher und führte diese fort: "Es wird hier über Nebenwirkungen geredet, ohne zu wissen, welche Medikamente denn zum Einsatz kommen werden." Eine Zentralisierung müsse nicht schlechter sein als dezentrale Einrichtungen. Man müsse miteinander Reden, um das bestmögliche Ergebnis zu bekommen. Es gebe die Chance, es gemeinsam zu tun.

Der Burgwedeler CDU-Abgeordnete Rainer Fredermann stellte die Frage nach dem Standort in Großburgwedel: "Es wird der Eindruck erweckt: Der Standort ist sicher", so Fredermann, doch: "Es wird am Ende ein Krankenhausneubau im Osten der Region geben, oder in Peine". Er bot dem Regionspräsidenten eine Wette an: Kommt es zum KRH-Neubau in Großburgwedel spende er 500 Euro für einen guten guten Zweck. Komme ein trägerübergreifender Neubau an einem anderen Standort, so solle Krach seinen Aufsichtsratposten niederlegen.

"Große Zweifel, dass es die richtige Entscheidung ist", erklärte der CDU-Abgeordnete Bernward Schlossarek. Er fragte, "wo die 4000 jährlich mit dem Rettungswagen eingelieferten Menschen denn hin sollen", gerade am Wochenende, wenn Sportler mit Verletzungen behandelt werden. "Gehen sie mal in Lehrte auf die Notaufnahme", so Bernward Schlossarek in seiner emotionalen Rede an die Mehrheit aus SPD und Grünen, vor allen an die Sozialdemokraten Helga Laube-Hoffmann. "Wir werden es kritisch konstruktiv begleiten, werden dem aber nicht zustimmen", so der Lehrter Abgeordnete Schlossarek zur Medizinstrategie 2030.

Für die Linken ist es "ein bitterer Tag", die die Gefahr sieht, dass die Mitarbeiter vor die Tür gesetzt werden. Es sei ein großer Vertrauensverlust zu erkennen, erklärte die Linken-Fraktionsvorsitzende Jessica Kaußen. "Das wird der Anfang vom Ende des KRH sein", prophezeite sie. Weiter sehen die Linken eine drohende Privatisierung der Gesundheitsversorgung und der Beginn einer Zerschlagung des KRH.

"Ein Verschieben der Medizinstrategie halten wir für verantwortungslos. Zeitgemäße Infrastruktur? Die finden wir in Laatzen und Lehrte heute nicht", betonte dagegen Erik Breves von Die Partei & Volt und sprach sich für die Medizinstrategie aus.

SPD-Fraktionschefin Silke Gardlo lud die Regionsabgeordneten ein, konstruktiv in die kommenden Beratungen zur Medizinstrategie zu gehen. "Geben Sie sich einen Ruck", forderte sie.

Nach rund dreistündiger Diskussion hatte Regionspräsident Steffen Krach das letzte Wort. Er sah vor allem bei der CDU "keine klare Position". Er betonte nochmal das hohe Niveau der Gesundheitsversorgung in der Region. Sprach seinen Dank an die über 250 Beschäftigten, die an der Medizinstrategie mitgearbeitet haben, aus. Es sei daher "respektlos gegenüber den Mitarbeitenden, von einer ‚Krach-Strategie‘ zu sprechen, wie manche es getätigt hätten. "Heute ist ein guter Tag für die Gesundheitsversorgung in der Region Hannover", urteilte er und betonte noch einmal, dass es nicht darum gehe, Gewinne zu erzielen, sondern die derzeitigen auflaufenden Defizite – rund 50 Millionen pro Jahr – besser in Infrastruktur und Arbeitsplätze mit einer modernen Versorgung zu investieren. Es gebe eine "Perspektive für alle Standorte in der Region", so Krach. "Am heutigen Dienstag, 23. Mai 2023, ist es nicht zu Ende. Jetzt kommt die eigentliche Arbeit. Jetzt beginnt der Transformationsprozess. Dieser dauert, 7, 10, 12 Jahre", erklärte Krach. "Wir werden am Ende in Laatzen wie auch Lehrte eine bessere Infrastruktur haben", betonte er. "Gesundheitspolitik ist nie zu Ende" und sei daher ein laufender Prozess, der auch schwierige Entscheidungen erfordere. Es sei keine parteipolitische sondern eine fachlich inhaltliche Entscheidung, ließ Krach die Anwesenden wissen. Auch lud er alle Abgeordneten ein, an der Umsetzung mitzuwirken.

84 Mitglieder gehören der Regionsversammlung an, zudem ist Regionspräsident Steffen Krach stimmberechtigt. SPD und Grüne zusammen mit dem Regionspräsidenten haben eine hauchdünne Mehrheit von 44 Stimmen. In einer namentlichen Abstimmung wurde die Medizinstrategie KRH 2030 mit 47 Stimmen und 37 Gegenstimmen angenommen.

Die Medizinstrategie 2030 war in den zurückliegenden Monaten im Aufsichtsrat des Klinikums erarbeitet, unter Beteiligung der Mitarbeitenden sowie der Geschäftsführung und externer Experten intensiv diskutiert und unter Mitwirkung der Regionspolitik in Teilen angepasst worden. Das am 23. März vom KRH-Aufsichtsrat vorgelegte und nun auch von der Regionsversammlung beschlossene Papier zielt darauf ab: für die Menschen in der Region Hannover eine moderne Gesundheitsversorgung aus kommunaler Hand anzubieten, für die Beschäftigten im KRH sichere Arbeitsplätze, gute Arbeitsbedingungen und ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen und das KRH als drittgrößten kommunalen Klinikkonzern Deutschlands langfristig in öffentlicher Hand zu sichern.

Investitionsstau, Fachkräftemangel, der zunehmende Trend zur ambulanten Behandlung und steigende Ansprüche an die Behandlungs- und Pflegequalität machen eine Umstrukturierung der kommunalen Krankenhauslandschaft in der Region Hannover unumgänglich. Folgende Veränderungen sieht die Medizinstrategie an einzelnen Standorten vor:

Die Kliniken Siloah und Nordstadt werden am Standort Siloah mit einem umfassenden Versorgungsangebot zusammengeführt und firmieren dann als Klinikum Mitte. Ziel ist es, diese Klinik zu einem so genannten Maximalversorger auszubauen.

Der Standort Gehrden wird als Schwerpunktversorger gestärkt und um die Neurologie des Klinikums Laatzen beziehungsweise eine neu aufzubauende neurologische Frührehabilitation erweitert.

Der Standort Neustadt wird als Grund- und Regelversorger fortgeführt; hier wird vor allem das ambulante Angebot ausgebaut. Gleiches gilt für den Standort Laatzen: Auch das Agnes-Karll erhält als Grund- und Regelversorger weitere ambulante Angebote und eine moderne Notaufnahme, gibt aber die Neurologie, Orthopädie und Unfallchirurgie ab.

Die Standorte Großburgwedel und Lehrte werden am Standort Großburgwedel zusammengeführt und entsprechende Neubauplanungen in Abstimmung mit dem Land Niedersachsen fortgeführt. Das Ergebnis ausführlicher Debatten um die medizinische Versorgung in Lehrte zielt darauf ab, hier ein Regionales Gesundheitszentrum zu schaffen, in dem die behandelnden Ärzte die ambulante Notfallversorgung sicherstellen.

Am Standort Langenhagen wird die Psychiatrie fortgeführt und inhaltlich entsprechend der Psychiatriestrategie weiterentwickelt. Die geriatrische Fachklinik wird schrittweise aus Langenhagen nach Hannover verlagert. Auch die Psychiatrie in Wunstorf wird fortgeführt und weiterentwickelt. Sowohl in der Somatik als auch in der Psychiatrie soll es mehr ambulante Angebote geben.

"Mit Blick auf die zu erwartende Gesundheitsreform und die damit einhergehenden Rahmenbedingungen lässt uns die Medizinstrategie den Spielraum, um im laufenden Verfahren auf die aktuellen Entwicklungen einzugehen und unsere Pläne dort, wo es notwendig oder sinnvoll ist, anzupassen", betont Steffen Krach. Angst um den Job müsse sich im Klinikum jedenfalls niemand haben. Der Aufsichtsrat des KRH hat betriebsbedingte Kündigungen im Zuge der Strukturreform ausdrücklich ausgeschlossen.