Hilferuf: Droht nun ein Engpass an wichtigstem Personal in der Brandbekämpfung?

Das geht nur mit einer speziellen Ausbildung: Atemschutzgeräteträger müssen unter zum Teil widrigsten Umständen Menschen aus brennenden Gebäuden holen und das Feuer bekämpfen. Foto: Bastian Kroll

Leicht hatten es die Feuerwehren schon vor der Corona-Pandemie nicht: Mit viel Einsatz wurde um Nachwuchs geworben. Das nicht nur in den Nachwuchsabteilungen- den Kinder- und Jugendfeuerwehren – sondern auch sogenannte Quereinsteiger wurde intensiv für die Feuerwehr gesucht. Die Anzahl der Einsatzkräfte konnte so stabilisiert werden, doch nun erwarten die Feuerwehren neues Ungemach: Wichtige Lehrgänge konnten aufgrund der Pandemie nicht erteilt werden, wodurch nun vor allem ein Mangel an Brandbekämpfern in der ersten Reihe fehlt: Die Atemschutzgeräteträger.
Wichtig sind alle Aufgaben innerhalb einer Feuerwehr: Ob Führungskraft, Maschinist oder frisch ausgebildeter Feuerwehrmann: Alle werden benötigt, für das "Getriebe Feuerwehr", bei dem jedes Zahnrad ins andere greift. Doch was ohne diejenigen wäre, die das Feuer direkt bekämpfen, mit einem Strahlrohr in der Hand, der Hitze ausgeliefert, oder Menschen aus brennenden Gebäuden holen, das kann sich auch der Laie gut vorstellen.

"Die Ausbildung zum Atemschutzgeräteträger ist eine der wichtigsten überhaupt. Diese Qualifikation ist zwingend bei jedem Einsatz erforderlich", so Burgdorfs Ortsbrandmeister Florian Bethmann, der Leiter einer Schwerpunktfeuerwehr ist. Bei jedem Einsatz – egal welcher Art – werde entsprechend auf dem ersten Fahrzeug mit mindestens vier Atemschutzgeräteträgern ausgerückt, denn: "Bei einem möglichen Folgeeinsatz muss dieses qualifizierte Personal auch zur Verfügung stehen. Zumal es nur noch wenige Einsatzlagen gibt, bei denen der Atemschutz nicht notwendig ist", so Bethmann. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss ein 35-stündiger Lehrgang bei der Feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) der Region Hannover belegt werden.

Lehrtes Stadtbrandmeister Jörg Posenauer sieht eine große Gefahr auf die Brandbekämpfer zukommen: "Uns droht ein Engpass an Atemschutzgeräteträgern", mahnt er. Denn: Seit Beginn der Pandemie waren keine Lehrgänge an der FTZ, die sich in Burgdorf befindet, mehr möglich. Zudem rücken weitere neue motivierte Einsatzkräfte nach, bei denen nun eine zeitnahe weitere Ausbildung in den Sternen steht. Die Feuerwehren zehren derzeit von ihrem Bestand.

Das dieser mit der Zeit immer geringer wird, ist unausweichlich: Ältere Einsatzkräfte können die Belastung unter Atemschutz – verbunden mit schweren Arbeiten unter einer Atemschutzmaske mit insgesamt 20 Kilogramm zusätzlicher Ausrüstung – nicht mehr bewerkstelligen. Was nachvollziehbar ist – und weshalb regelmäßig neue Träger ausgebildet werden.

Stadtbrandmeister Jörg Posenauer und sein Stellvertreter, Hendrik Voges, verantwortlich für den Bereich Atemschutz, appellieren an die Region, hier Abhilfe zu schaffen. Oft genug hätte die Lehrter Feuerwehrführung bei der Region um Antworten auf die Frage gebeten, wie denn die nun entstandene Ausbildungsstau aufgelöst werden könnte. "Wir haben mehrmals nachgefragt", so Posenauer. Eine Antwort hätten sie bis heute nicht erhalten. "Wir brauchen ein Konzept, die Lehrgänge nachzuholen", betont Posenauer: "Die Überhänge nun einfach hinten anzuhängen, löst das Problem jedenfalls nicht". Es müssten weitere Kapazitäten – sei auch nur temporär – geschaffen werden.

Fehlende Räume und Ausbilder seien als Begründung angeführt worden, warum der Lehrgangsbetrieb nicht erweitert werden könnte, erklärt die Lehrter Stadtfeuerwehrführung. Sie fordert daher, neue innovative Wege zu gehen, um die Kapazitäten dennoch auszubauen. In dieselbe Kerbe schlägt auch Hämelerwalds Ortsbrandmeister Christian Roger Fechner, ebenfalls Leiter einer Schwerpunktfeuerwehr: "Wir haben in der Pandemie innovativ gehandelt, das erwarten wir von der Region jetzt auch". In seiner Feuerwehr warten 13 Einsatzkräfte auf einen Lehrgang.

Im Brandabschnitt 4, zu denen Burgdorf, Lehrte, Sehnde und Uetze gehören, würden nunmehr 137 Einsatzkräfte der vier Kommunen auf einen Lehrgangsplatz als Atemschutzgeräteträger warten. "1,5 Jahre wurde es dauern, diese unter normalen Umständen auszubilden", rechnet Posenauer vor. Mit jedem Tag, der länger gewartet wird, sieht er ein weiteres Problem: "Das sind hochmotivierte Feuerwehrkräfte. Ich weiß nicht wie lange die Motivation anhält", so Posenauer. Was er nicht auszusprechen braucht: Mit jedem nicht ausgebildeten Atemschutzgeräteträger fehlen an der Einsatzstelle diese speziell ausgebildeten Brandbekämpfer. Ein Umstand, den keine Feuerwehrführungskraft akzeptiert und schon gar nicht, wenn etwas dagegen getan werden kann.

Sehndes Stadtbrandmeister Jochen Köpfer plagen die selben Sorgen: 48 Sehnder Brandbekämpfer warten auf eine Lehrgangsteilnahme. "Wir haben trotz der Pandemie an Mitgliedern gewonnen", freut er sich. Stand heute seien 608 Aktive von den Ortsfeuerwehren gemeldet und somit das selbst gesteckte Ziel von 600 Einsatzkräften erreicht worden. Nur mit sehr viel Arbeit im Bereich der Mitgliederwerbung sei dieses möglich gewesen – und auch er sieht nun das Problem, dass der Ausbildungsstau zur Demotivation führt – und schlussendlich auch zu Austritten.

"Hier hätte man mit der Schließung der FTZ aufgrund der Pandemielage schon ein Konzept erarbeiten müssen, wie man die ausgefallenen Lehrgänge nachholen kann", so Hendrik Voges. Und auch das Argument der "fehlenden Räume" lässt Posenauer nicht durchgehen, da man auch andere außerhalb der FTZ nutzen könnte. Bei einer Feuerwehr – wie der Ortsfeuerwehr Burgdorf, die nur wenige Meter entfernt liegt – oder dem benachbarten THW, um nur zwei Beispiele zu nennen.

"Gegen fehlende Ausbilder hätte man seit Beginn der Pandemie auch was tun können", so Voges. Was die notwendigen Ausbildungsutensilien angeht, so könnten könnten diese auch bei einer externen Fachfirma angemietet werden.

Auch könne der Lehrgang, ohne auf die vorgeschriebenen Inhalte zu verzichten, komprimiert werden. So könne der Leistungsnachweis – der vor der Pandemie während des Lehrgangs durchgeführt wurde aber nicht zur Ausbildung dazugehört – auch dezentral absolviert werden, schlägt Voges vor. Diese Zeit würde dann für weitere Ausbildungsstunden zur Verfügung stehen.

"Die Region muss sich bewegen", so Posenauer. "Da muss was getan werden", fordert er, damit seine Prophezeiung nicht in Erfüllung geht und dann der Ernstfall eintritt und nicht genügend Atemschutzgeräteträger bei einem Einsatz vor Ort sind. Oder aber die Feuerwehr ihre Freiwilligen wieder verliert, weil diese immer wieder vertröstet werden, wenn es darum geht, wann sie denn nun endlich ihren Lehrgang absolvieren können.