Jeder Mensch fühlt anders: Bewusstsein schaffen für die Gefühlswelt von Menschen im Autismus-Spektrum

Gefühlskarten helfen, die Gefühle zum Ausdruck zu bringen.Foto: Pro School

"Kennt man einen Autisten, kennt man einen Autisten": So sollte die allgemeine Haltung gegenüber Menschen im Autismus-Spektrum sein, denn Autismus ist eine komplexe und vielfältige Entwicklungsstörung, die in ihrer jeweiligen Ausprägung so individuell ist wie der Mensch selbst. Autismus beeinflusst, wie jemand denkt, fühlt, versteht, reagiert und interagiert.

Menschen im Autismus-Spektrum haben ganz eigene Bedürfnisse und stoßen damit in der Gesellschaft noch immer auf verschiedene Barrieren. Um darauf aufmerksam zu machen, wurde 2007 der Welt-Autismus-Tag von der Generalversammlung der Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Dieser findet jährlich am 2. April statt. Das diesjährige Motto lautet Building an inclusive society for autistic people – Aufbau einer inklusiven Gesellschaft für Autisten.

Autismus ist nicht im Aussehen eines Menschen zu erkennen. So wie jeder andere Mensch, haben Menschen im Autismus-Spektrum individuelle Bedürfnisse. Diese sind häufig spezieller als bei anderen und bedürfen besonderer Rücksichtnahme in der Gesellschaft, was – auch aus Unwissenheit – nicht immer beachtet wird.

So möchten viele Menschen im Autismus-Spektrum (entgegen der weit verbreiteten Meinung) sehr gerne den Kontakt zu anderen Menschen pflegen, wissen aber oft nicht, was eine sozial angemessene Art der Kontaktaufnahme sein könnte. Wie alle Menschen wollen auch Autisten selbst auswählen, mit wem sie wann und wie ihre Zeit verbringen und wann sie lieber allein sind.

"Autismus bedeutet, keine Gefühle zu haben"

Dies ist eins der gängigsten Vorurteile gegenüber der Diagnose Autismus. Die soziale Interaktion fällt Menschen im Spektrum in aller Regel schwer. Schon als Kinder haben sie häufig Schwierigkeiten, Beziehungen zu Gleichaltrigen zu knüpfen, sie weichen Blicken aus, meiden Körperkontakt und wirken manchmal regelrecht desinteressiert. Hartnäckig hält sich daher der Eindruck, sie seien gefühlskalt und unfähig, überhaupt etwas zu empfinden.

Menschen im Autismus-Spektrum haben mitunter Schwierigkeiten mit den unausgesprochenen Regeln der menschlichen Kommunikation: Es bereitet ihnen Probleme, Gesagtes zu interpretieren, die Mimik, den Tonfall oder die Körpersprache ihres Gegenübers zu deuten – und entsprechend reagieren sie oft auch nicht auf solche nonverbalen Signale. Umgekehrt fällt es ihnen selbst schwer, Emotionen über Mimik, Gestik oder Stimmlage zu transportieren und diese in sozialen Kontexten adäquat einzusetzen. Menschen im Autismus-Spektrum haben also natürlich Gefühle – aber sie teilen sie nicht zwangsläufig auf die für neurotypische Menschen (also Menschen außerhalb des Spektrums) gewohnte Weise mit anderen.

Gefühlskarten zur Unterstützung in der emotionalen Kommunikation

Anlässlich des diesjährigen Welt-Autismus-Tages am 2. April hat Pro School eigene Gefühlskarten produzieren lassen, um damit einen kleinen Beitrag zur inklusiven Teilhabe für Menschen im Autismus-Spektrum zu leisten. Gefühlskarten bieten Kindern und Jugendlichen im Spektrum eine anschauliche Methode, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Mithilfe von Smilies, die verschiedene Gesichtsausdrücke zeigen, schaffen die Gefühlskarten einen Zugang zu eigenen Gefühlen und ermöglichen damit auch den konstruktiven Umgang mit ihnen. Besonders dann, wenn die emotionale Kommunikation schwerfällt.

Über Pro School

Pro School ist freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe und setzt sich im Rahmen einer eigenen Autismus- Ambulanz in Hannover-Anderten für die Förderung von Autisten ein. Dabei wird die Förderung individuell auf die Ressourcen des jungen Menschen abgestimmt. Ziel der Förderung ist eine Stärkung des Selbstbewusstseins und das Schaffen von Sicherheit für junge Menschen im Spektrum. Mehr als 70 Kinder und Jugendliche kommen wöchentlich in die Ambulanz und nehmen verschiedene autismusspezifische Förderangebote in Anspruch. Besonders beliebt sind hier der Bewegungsraum, das neue Bällebad und der "Snoezelen"-Raum – ein gemütlicher, angenehm warmer Raum, in dem bequem, umgeben von leisen Klängen und Melodien, Lichteffekte betrachtet werden können. Das gezielt ausgesuchte Angebot steuert und ordnet die Reize und reduziert Ängste.

Zusätzliche Stärkung durch tiergestützte Pädagogik

Ein Tier kann die Förderung von Menschen im Spektrum auf besondere Weise unterstützen. Deshalb setzen Mitarbeiter der Autismus-Ambulanz immer wieder speziell ausgebildete Hunde sowie ein Therapiepferd in der Förderung ein. Menschen im Spektrum profitieren von der direkten Kommunikationsart von Hunden. Der Hund gibt direkte Rückmeldung auf das Verhalten des Kindes/des Jugendlichen, ohne es zu bewerten.